In einem richtungsweisenden Urteil vom 09. Dezember 2022 (Az. 1 U 29/21) hat das Oberlandesgericht Schleswig klargestellt, dass Auftragnehmer bei Vorliegen einer kalkulatorisch unklaren Leistungsbeschreibung nicht ohne Weiteres Nachträge wegen höherer Kosten geltend machen können. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit für Auftragnehmer, vor Angebotsabgabe etwaige Unklarheiten zu adressieren und sich nicht auf eine nachträgliche Anpassung der Vergütung zu verlassen.
Der Fall beleuchtet insbesondere die Verpflichtung des Auftragnehmers, aktiv Klärung zu suchen, wenn die Leistungsbeschreibung keine eindeutige Grundlage für eine zuverlässige Kalkulation bietet. Dies schließt an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, welche bereits die Bedeutung der sorgfältigen Prüfung und Klärung von Leistungsbeschreibungen hervorhob (BGH, Urteil vom 25.06.1987 – VII ZR 107/86).
Die Kernpunkte des Urteils umfassen unter anderem die Unzulässigkeit einer Kalkulation „ins Blaue hinein“, die Nichtanwendbarkeit der Regelung des § 2 Abs. 5 VOB/B bei bereits vom Vertrag umfassten Leistungen und die Bedeutung der Kommunikation zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber bei abweichenden Interpretationen der Leistungsbeschreibung.
Dieses Urteil liefert wichtige Leitlinien für die Baubranche und unterstreicht die Bedeutung der proaktiven Klärung von Zweifelsfragen vor der Angebotsabgabe. Es macht deutlich, dass eine sorgfältige Prüfung und eine offene Kommunikation essenziell sind, um spätere Konflikte über Nachtragsforderungen und Kostenüberschreitungen zu vermeiden.