In den letzten Jahren hat die Fusions- und Übernahmepraxis (M&A) in Deutschland und der EU eine Phase erhöhter Aufmerksamkeit seitens der Wettbewerbsbehörden erlebt. Traditionell lag der Schwerpunkt auf der Pflicht zur vorherigen Anmeldung und Genehmigung durch die Kartellbehörden, um eine rechtskonforme Transaktion zu gewährleisten. Das aktuelle Towercast-Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat jedoch deutlich gemacht, dass auch nach Vollzug einer Transaktion Risiken bestehen bleiben können, wenn sie geeignet ist, den Wettbewerb erheblich zu beschränken.
Im Kern bestätigt das Towercast-Urteil, dass nationale Wettbewerbsbehörden Fusionen und Übernahmen auch dann nachträglich prüfen dürfen, wenn diese nicht unter die Anmeldepflicht nach der EU-Fusionskontrollverordnung oder nach nationalem Recht fallen. Grundlage ist das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gemäß Artikel 102 AEUV. Diese Rechtsprechung erweitert somit den Kontrollrahmen über die klassischen Umsatzschwellen hinaus.
Für die Praxis bedeutet dies, dass Unternehmen ihre Transaktionen nicht nur anhand der formalen Schwellenwerte prüfen sollten. Vielmehr ist eine tiefere Analyse erforderlich, ob durch die Übernahme eine marktbeherrschende Stellung geschaffen oder verstärkt wird. Selbst abgeschlossene Transaktionen können im Nachhinein aufgehoben oder mit Auflagen versehen werden, was zu erheblichen finanziellen und rechtlichen Unsicherheiten führt.
Daher wird empfohlen, potenzielle Wettbewerbsrisiken frühzeitig zu identifizieren, um spätere Eingriffe der Behörden zu vermeiden. Vertragswerke sollten entsprechende Klauseln enthalten, die mögliche aufsichtsrechtliche Folgen regeln und Haftungsfragen klären. Das Towercast-Urteil zeigt deutlich, dass die Fusionskontrolle in Deutschland und Europa dynamischer wird und dass eine sorgfältige wettbewerbsrechtliche Begleitung heute unverzichtbar ist, um Investitionen und Transaktionen nachhaltig abzusichern.