Im Juli 2025 hat das Landgericht Berlin ein aufsehenerregendes Urteil gefällt: Nachrichten, die über den gehackten Kommunikationsdienst EncroChat gewonnen wurden, dürfen in Deutschland nicht als Beweismittel in Strafverfahren verwendet werden. Dieses Urteil markiert einen Wendepunkt in der Debatte um die Zulässigkeit digitaler Beweise und das Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und innerer Sicherheit.
EncroChat galt lange als ein verschlüsselter Dienst, der insbesondere von kriminellen Netzwerken genutzt wurde. Im Jahr 2020 gelang es französischen Ermittlungsbehörden, das System zu kompromittieren und Millionen von Nachrichten abzufangen. Diese Daten wurden anschließend im Rahmen europäischer Rechtshilfe auch an deutsche Behörden weitergegeben und in zahlreichen Strafverfahren – insbesondere im Bereich Drogenkriminalität und organisierte Kriminalität – als zentrales Beweismaterial herangezogen.
Das Berliner Gericht bezweifelte jedoch die Rechtmäßigkeit dieser Praxis. In der Entscheidung wurde betont, dass die EncroChat-Daten ohne richterlichen Beschluss in Deutschland erhoben wurden und somit gegen die verfassungsrechtlich garantierten Rechte der Beschuldigten verstoßen. Besonders hervorgehoben wurde das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Gebot eines fairen Verfahrens. Die massenhafte und anlasslose Datenerhebung verletze fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien.
Das Urteil könnte weitreichende Folgen für laufende und abgeschlossene Verfahren haben, bei denen EncroChat-Nachrichten eine zentrale Rolle spielten. Es wirft zudem grundsätzliche Fragen zur Nutzung von im Ausland beschafften digitalen Beweismitteln auf und stellt das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung im europäischen Strafrecht auf den Prüfstand.
In anderen Bundesländern, etwa in Nordrhein-Westfalen oder Bayern, wurden EncroChat-Daten bislang als verwertbar angesehen. Das Berliner Urteil stellt diese Linie nun infrage und könnte eine Neubewertung durch den Bundesgerichtshof oder sogar das Bundesverfassungsgericht nach sich ziehen.
Mit der zunehmenden Digitalisierung der Strafverfolgung und der internationalen Zusammenarbeit wird die Frage nach der Zulässigkeit digitaler Beweise in Deutschland immer drängender. EncroChat steht dabei sinnbildlich für den juristischen Konflikt zwischen effektiver Strafverfolgung und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte – ein Konflikt, der in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird.