Das Schlichtungsverfahren in Baustreitigkeiten spart Zeit, Geld und Nerven
Was tun bei Stillstand oder gar Abbruch eines Bauvorhabens? – Ein Stillstand oder gar der Abbruch eines Bauvorhabens ist ein relativ sicherer Weg in den finanziellen Abgrund. Ursache einer solchen Konfliktsituation ist neben unterschiedlichen Auffassungen häufig auch die Sprachlosigkeit zwischen den Bauvertragsparteien. Ein strukturiertes Schlichtungsverfahren kann diese Sprachlosigkeit aufbrechen und die Bauvertragsparteien zu einer schnellen, kostengünstigen und rechtssicheren Lösung führen, die niemanden als Verlierer zurücklässt. Als alternatives Streitlösungsinstrument bietet das Schlichtungsverfahren viele Vorteile gegenüber einem Gang vor die Gerichte und ermöglicht insbesondere die zeitnahe Fortsetzung des Bauvorhabens. Trotz ihrer vielen Vorteile sind Schlichtungsverfahren in der baurechtlichen Praxis leider noch wenig verbreitet.
Einleitung
Typische Fallkonstellationen, die zum Stillstand eines Bauvorhabens führen, sind der Streit um Nachtragsforderungen des Unternehmers oder – noch häufiger – der Streit um Mängel. Der Bauherr zahlt nicht, weil er eine Nachtragsforderung des Unternehmers nicht akzeptiert oder weil er Mängel der Bauleistung erkannt haben will. Der Unternehmer stellt dann die Arbeiten ein, weil der Bauherr nicht zahlt. Am Ende steht die Kündigung des Bauvertrags, die nicht nur zu einer Projektverzögerung führt, sondern letztendlich auch zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung.
Der Ausgang eines Gerichtsverfahrens ist gerade im Bereich von Mängelthematiken meist ungewiss und hängt wesentlich von gerichtlichen Sachverständigengutachten ab. Durch die in solchen Verfahren häufig überlange Verfahrensdauer gelangen die Parteien bald an das Ende ihrer persönlichen und finanziellen Ressourcen. Wissensträger gehen von Bord, Subunternehmer werden insolvent, Prozesskosten werden verbrannt, und am Ende einigt man sich entnervt auf einen Vergleich, bei dem es nur noch um die Verteilung des entstandenen Schadens geht und schon lange nicht mehr um den gemeinsamen Projekterfolg.
Ein Schlichtungsverfahren bietet den Parteien in einem strukturierten Prozess und unter neutraler Anleitung durch erfahrene Baujuristen die Möglichkeit, sich möglichst frühzeitig wieder auf einen gemeinsamen Weg zurückzubegeben und dadurch ein gefährdetes Projekt doch noch zu einem guten Ende zu bringen. Die Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein hat zu diesem Zweck eine Schieds- und Schlichtungsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) entwickelt, die 2020 komplett überarbeitet und den Anforderungen der Praxis noch besser angepasst wurde. Die SOBau bietet neben der hier zu behandelnden Schlichtung auch Regelungen für Mediations- sowie für gutachterliche und schiedsrichterliche Verfahren an (1).
Das Schlichtungsverfahren
Die Schlichtung zielt ähnlich wie eine Mediation darauf ab, die Parteien in einem vertraulichen Verfahren unter Anleitung und Mithilfe der Schlichtungsperson zu einer gütlichen Einigung zu führen. Sie beschränkt sich jedoch im Gegensatz zur Mediation nicht darauf, lediglich das Gespräch zwischen den Parteien zu moderieren. Vielmehr ergeht für den Fall, dass die Parteien dies wünschen und im Rahmen des Schlichtungsgesprächs nicht selbst zu einem Ergebnis finden, ein von der Schlichtungsperson erarbeiteter Schlichtungsvorschlag, der in der Regel auch schriftlich begründet wird.
Es handelt sich also bei der Schlichtung um eine Art „Mediation plus“. Den Schlichtungsvorschlag hat man sich in etwa wie einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag vorzustellen. Dieser ist für die Parteien nur verbindlich, wenn er jeweils binnen zwei Wochen schriftlich angenommen wird. Geschieht das nicht, gilt das Schlichtungsverfahren als gescheitert. Der Weg zu den ordentlichen Gerichten steht den Parteien dann weiterhin offen. Im Einzelfall kann ein nicht angenommener Schlichtungsvorschlag auch dazu führen, dass die Parteien sich noch einmal mit der Schlichtungsperson zusammensetzen und letzte strittige Punkte ausräumen, so dass dann auf dieser neuen Gesprächsgrundlage „im zweiten Anlauf“ doch noch eine Einigung zustande kommt. Die Schlichtungsperson wird das Verfahren so flexibel gestalten, dass es einer – auch späten – Einigung bestmöglich den Weg ebnet.
Die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens kann zwischen den Parteien eines Bauvertrags jederzeit auch nachträglich noch vereinbart werden, sofern nicht schon der Bauvertrag selbst dazu entsprechende Regelungen enthält. Muster für eine Schlichtungsvereinbarung und einen Schlichtervertrag können in der Regel von der ausgewählten Schlichtungsperson zur Verfügung gestellt werden. Während eines Schlichtungsverfahrens nach der SOBau ist die Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche gehemmt und die Anrufung eines ordentlichen Gerichts ist nicht statthaft (mit Ausnahme von einstweiligen Verfügungen und selbständigen Beweisverfahren).
Die Schlichtungsperson
Gelistete Schlichtungspersonen nach der SOBau sind erfahrene Rechtsanwälte, die zugleich auch als Fachanwälte für Bau und Architektenrecht formal qualifiziert sein müssen. Sie haben ein spezielles SOBau- Training absolviert und sind verpflichtet, sich regelmäßig fortzubilden. Wer diese Kriterien erfüllt und nachweist, wird in die Schlichterliste nach SOBau aufgenommen. Die notwendige Sachkompetenz ist daher in allen Fällen gegeben (2). Die Schlichtungsperson führt das Verfahren strikt neutral und ist zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Die Schlichtungsperson wird ihre eigene Rechtsauffassung zu Einzelfragen nicht oder nur dann kundtun, wenn dies von allen Beteiligten gewünscht wird und wenn die Aussicht besteht, dass dadurch eine Einigung näher rückt. Ziel des Schlichtungsverfahrens ist die einvernehmliche Streitbeilegung, nicht die abschließende Klärung von Rechtsfragen. Die Schlichtungsperson kann zur technischen Klärung beispielsweise von Mängelthematiken entsprechend qualifizierte Sachverständige in das Verfahren mit einbinden. Die Durchführung von Schlichtungsverhandlungen auf der Baustelle ist nicht nur möglich, sondern häufig sogar sinnvoll.
Die Vergütung der Schlichtungsperson erfolgt auf der Basis eines zu vereinbarenden Zeithonorars, das sich an den anwaltlichen Stundensätzen orientiert. Können sich die Parteien nicht gemeinsam auf eine Schlichtungsperson einigen, wird diese auf Antrag von der Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins (DAV) benannt.
Vorteile des Schlichtungsverfahrens
Die Vorteile eines Schlichtungsverfahrens gegenüber einem gerichtlichen Streitverfahren in zeitlicher und kostenmäßiger Hinsicht liegen auf der Hand. Darüber hinaus bietet das Schlichtungsverfahren aber auch den Vorteil, dass es am Ende keinen Gewinner und keinen Verlierer gibt, denn schließlich haben die Parteien sich freiwillig auf einen Kompromiss geeinigt. Im Schlichtungsverfahren haben alle Beteiligten ausführlich Gelegenheit, ihre Sichtweise vorzutragen. Die im Schlichtungsverfahren bereitgestellte und gewissen Regeln unterworfene Gesprächssituation hat es so vorher zwischen den Parteien noch nicht gegeben, so dass auch Perspektivwechsel möglich werden, was einer Einigung meist zuträglich ist.
Die nicht selten aufgeheizte und unter Zeitdruck stehende mündliche Verhandlung vor den ordentlichen Gerichten kann das nicht in gleicher Weise leisten. Konflikte und Befindlichkeiten werden dort häufig eher noch vertieft als ausgeräumt, wobei dies im Einzelfall auch sehr von dem Geschick, der Erfahrung und der baurechtlichen Expertise der Richterin oder des Richters abhängt. Ihren gesetzlichen Richter können die Parteien sich nicht aussuchen. Die Schlichtungsperson hingegen schon.
Das Schlichtungsverfahren bietet nicht nur eine effiziente und zukunftsgerichtete Möglichkeit zur Konfliktlösung, sondern führt auch zu rechtssicheren Vereinbarungen zwischen den Parteien. Eine Schlichtung ist also keine vertane Zeit und keine „Quasselbude“, sondern eine echte Alternative zum gerichtlichen Verfahren. Sind an einer Schlichtung auf beiden Seiten Rechtsanwälte beteiligt, kann die zustande gekommene Vereinbarung auch als sog. „Anwaltsvergleich“ ausgestaltet werden, der dann unter den Voraussetzungen des § 796a ZPO wie ein gerichtlicher Vergleich vom Gericht oder von einem Notar für vollstreckbar erklärt werden kann.
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